Startseite Einkommensteuer Block A Außergewöhnliche Belastungen – Der Sozialstaat im Steuerrecht.

Außergewöhnliche Belastungen – Der Sozialstaat im Steuerrecht.

von StB Eric Preusche LL.B.

Genau wie die Sonderausgaben sind außergewöhnliche Belastungen zunächst einmal Kosten der Lebensführung. Kosten der Lebensführung stehen in keinem direkten Zusammenhang mit unseren Einkunftsarten und dürfen sich vom Grundsatz her nicht auf die Einkommensteuer auswirken. Diesen Grundsatz der Trennung zwischen dem privaten und dem steuerlichen Bereich kennen wir aus dem §12 EStG. (Haben wir hier besprochen.)

Genau da (§ 12 Satz 1 EStG) steht auch, dass private Kosten doch abzugsfähig sind, wenn es sich um Sonderausgaben der §§10 ff. EStG handelt oder wenn außergewöhnliche Belastungen der
§§ 33 bis 33b EStG vorliegen.

Aber was sind diese „außergewöhnlichen Belastungen“?

Das Einkommensteuergesetz unterscheidet zwischen allgemeinen außergewöhnlichen Belastungen (§33 EStG) und speziellen außergewöhnlichen Belastungen (§33a und §33b EStG).

Wir fangen mal mit den allgemeinen an.

Um es in einem Satz vereinfacht zu sagen: Größere Kosten, die eine Person zwangsläufig treffen und die eine vergleichbare andere Person mit ähnlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Familienstand, nicht hätte, sollen die Einkommensteuer mindern.

Darunter fallen Krankheitskosten, die nicht von der Krankenkasse voll ersetzt werden, wie z.B. bei einer Physiotherapie und Pflegekosten nach einem Schlaganfall oder Medikamente, die nicht bezuschusst werden im Alter. Denkbar sind auch Heilpraktikerkosten, wenn die Schulmedizin nicht mehr weiter weiß oder auch Betreuungskosten für die altersschwachen Eltern.

Man versucht über diese Vorschriften die finanzielle Ungerechtigkeit, für die der Steuerpflichtige im Grunde nichts kann, abzumildern. Dahinter steht ganz klar unser Sozialstaatsprinzip.

§ 33 EStG setzt dafür nur Grundvoraussetzungen. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, dann sind die Ausgaben steuermindernd. Ganz egal, um was es geht. Außergewöhnliche Belastungen sind also viel weiter gefächert, als die strikt abschließend aufgezählten Sonderausgaben.

Voraussetzung Nr. 1: Außergewöhnlichkeit

In §33 Absatz 1 EStG steht es recht deutlich. Es müssen dem Steuerpflichtigen größere Ausgaben als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen treffen, die in den gleichen finanziellen Verhältnissen und demselben Familienstand leben.

Ein angestellter alleinstehender Mann ohne Kinder und ohne Vermögen aber mit einem Bruttoeinkommen von 45.000€ p.a. ist damit vergleichbar mit all den anderen Männern in Deutschland ohne Kinder und mit einem ähnlichen Einkommen.

Treffen den Mann nun zwangsläufig Kosten iHv. 10.000€ und die Personen in der Vergleichsgruppe werden nicht von solchen Kosten getroffen, liegt Außergewöhnlichkeit vor.

Du siehst schon, der Gedanke dahinter ist einfach. Allerdings: die Umsetzung in der Praxis, die gestaltet sich schwer. Denn es ist manchmal schwierig eine passende Vergleichsgruppe zu definieren.

Für dich reicht aber normalerweise das Bauchgefühl aus, denn es scheitert gewöhnlich schon an den weiteren Voraussetzungen.

Voraussetzung Nr. 2: Zwangsläufigkeit

Zwangsläufig sind die Ausgaben, wenn der Steuerpflichtige sich aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§33 Absatz 2 EStG).

Eins von den dreien muss also unseren Steuerpflichtigen zwingen, die Kosten zu tragen.

Ein rechtlicher Grund könnte zum Beispiel ein Vertrag sein. Allerdings werden Verträge meist freiwillig abgeschlossen. Und damit muss der Steuerpflichtige für sein eigenes Verhalten auch verantwortlich sein. Wenn also der Steuerpflichtige mit seinem Verhalten zum rechtlichen Grund beigetragen hat, sind wir hier raus.

Wäre auch komisch, wenn meine Kreditzinsen außergewöhnliche Belastung wären.

Damit bleibt hier noch das Gesetz oder ein Verwaltungsakt als rechtlicher Grund. Nach dem BGB sind wir alle zum Beispiel verpflichtet für unsere Kinder und auch für unsere Eltern zu sorgen, wenn sie es nicht selbst können. Solche rechtlichen Verpflichtungen per Gesetz können also zur Zwangsläufigkeit führen.

Unter die tatsächlichen Gründe fallen Ereignisse, die außerhalb unseren Einflussmöglichkeiten liegen. Naturkatastrophen, Tod, Verbrechen oder auch Krankheiten zählen dazu. Der Löwenanteil in der Praxis besteht hier auf jeden Fall aus den Krankheitskosten.

Sittliche Gründe liegen oft ganz nah an den rechtlichen Gründen, sind aber nicht direkt im Gesetz festgeschrieben. Sittliche Gründe können zum Beispiel die finanzielle Unterstützung bei Pflegekosten des Ziehvaters sein, mit dem man nicht direkt verwandt ist. Es muss hier eine moralische Verpflichtung geben. Fast schon einen moralischen Zwang.

Voraussetzung Nr. 3: Tatsächlich entstandene Aufwendungen

Und natürlich gilt wie meistens im Steuerrecht. Die Aufwendungen müssen dem Steuerpflichtigen auch wirklich entstanden sein und ihn belasten. Erstattungen der Krankenkasse mindern zum Beispiel den Betrag, der geltend gemacht werden kann.

Voraussetzung Nr. 4: Notwendig und angemessen

Ich denke unter notwendig und angemessen, kannst du dir vorstellen was gemeint ist.

Wenn alle Voraussetzungen zutreffen, liegen außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG vor. Und damit fast eine Steuerermäßigung. Allerdings bleibt noch ein kleiner Wermutstropfen.

Die zumutbare Belastung nach § 33 Absatz 3 EStG

Der Gesetzgeber konnte mal wieder nicht davon lassen und musste doch noch einen Puffer einbauen, der die Steuerminderung bremst.

Abziehbar ist nämlich nur der Betrag der außergewöhnlichen Belastung, der die „zumutbare Belastung“ übersteigt. Die zumutbare Belastung ist ein Betrag, der sich nach dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Familienstand und der Anzahl der noch nicht selbstständigen Kindern richtet. Je höher also die Einkünfte und je weniger Kinder, desto höher sollen auch die Ausgaben sein, die der Bürger ohne Steuerminderung tragen muss. Die Berechnungstabelle dazu findest du im
§§ 33 Absatz 3 EStG.

Dazu muss man noch sagen, dass der Bundesfinanzhof entschieden hat, dass die Berechnung der zumutbaren Belastung wie bei der Steuerbelastung, also dem Steueranstoßprinzip, erfolgen muss. Es ist also nicht ganz einfach den Betrag der zumutbaren Belastung selbst zu berechnen.

Die Prozentzahlen in den Spalten beziehen sich nämlich bei der Berechnung des BFH auf den jeweiligen Betrag der Einkünfte.

Für das Jahr 2016 bedeutet das z.B. für einen kinderlosen Single: Die ersten 15.340 € werden mit 5% berechnet, der Betrag darüber hinaus bis 51.130€ mit 6% und ab 51.130€ mit 7%.

Würde der Single also einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 80.000€ haben, ergibt das eine zumutbare Belastung von

15.340 x 5% = 767,

(53.130 – 15.340) x 6% = 2153,4,

und

(80.000€ – 51.130) x 7% = 2020,90.

In Summe: 4.941,30€

Diesen Betrag müssen die agB erst einmal übersteigen, um sich auswirken zu können.

Um ein besseres Gespür dafür zu bekommen, was die einzelnen Voraussetzungen und außergewöhnliche Belastungen im Allgemeinen ausmachen, liest du dir am besten die Richtlinien ab R 33.1 EStR durch. Da findest du haufenweise Beispiele und genaue Erklärungen.

Die speziellen außergewöhnlichen Belastungen

Direkt im Anschluss an § 33 EStG finden wir dann die Vorschriften für die spezielleren Fälle. Das sind Sonderregelungen für den Abzug von Unterhaltskosten (§ 33a Absatz 1 EStG), ein Freibetrag für volljährige Kinder in Ausbildung, die auswärts untergebracht sind und Pauschbeträge für Menschen mit Behinderung (§ 33b EStG). Die schauen wir uns im Detail dann mal im Block B an.

Was dir vielleicht auch noch aufgefallen ist, ist wo die agB im Gesetz stehen.  § 33 findest du direkt bei den Tarifvorschriften. Genau wie die Sonderausgaben werden die außergewöhnlichen Belastungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Absatz 4 EStG). Der Abzug findet also fast als letztes statt. Kurz bevor man zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens kommt.

So damit haben wir die wichtigsten Grundlagen durch, um zur Steuerberechnung zu kommen.

Weiter gehts mit den Tarifbestimmungen, also der Berechnung der Einkommensteuer. –>Wie wird die Steuer berechnet? – Tarife, Splitting, Progressionsvorbehalt

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