Wenn du Steuerrecht verstehen willst, solltest du dir irgendwann klar gemacht haben, was Steuerrecht überhaupt ist.
Wenn ich hier von Steuerrecht spreche, meine ich damit die Ertragsteuern.
Im Einkommensteuergesetz geht es nicht darum dem Bürger regelmäßig Anteile des Vermögens abzunehmen oder den reinen Umsatz, also den Austausch von Leistung oder Ware gegen Entgelt mit einer Steuer zu belasten. Nein, es geht darum, dass der Zuwachs, der Ertrag, der Überschuss, der Gewinn besteuert werden soll.
Und gleichzeitig, sind Gesetze abstrakte Regeln, die versuchen das Leben zu erfassen und daraus eine Konsequenz zu ziehen. Wenn x, dann y.
Im Fall der Einkommensteuer stellt sich somit die Frage: Wie wird denn Geld tatsächlich verdient? Durch welche Tätigkeiten kann ein Mehr entstehen?
Denn nur wenn klar ist, wie tatsächlich ein finanzielles Mehr im Leben geschaffen wird, kann der Gesetzgeber Regeln zur Besteuerung dazu schaffen.
Das Erwerbsleben in Kategorien
Aus dieser Überlegung heraus wurden die sieben Einkunftsarten geschaffen. Die sieben Einkunftsarten sind Kategorien, die verschiedenste Art und Weisen Geld zu verdienen bündeln. Dadurch, dass jede Einkunftsart explizit definiert wurde, konnte man dann verschiedene Regeln aufstellen, wie die Besteuerung ablaufen soll.
Die sieben Einkunftarten findest du in §2 Absatz 1 Satz 1 EStG. Wir haben dort eine Aufzählung der Kategorien, die der Einkommensteuer unterliegen.
Einkünfte aus Land und Forstwirtschaft (§13 EStG)
Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§15f EStG)
Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§18 EStG)
Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§19 EStG)
Einkünfte aus Kapitalvermögen (§20 EStG)
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG)
sonstige Einkünfte im Sinne des § 22
§2 Absatz 1 Satz 1 EStG stellt dazu gleich noch klar, dass diese Einkünfte nur unter die Einkommensteuer fallen, wenn der Steuerpflichtige unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtig ist.
Also muss zunächst feststehen, dass Deutschland überhaupt besteuern darf. Du erinnerst dich, die Regeln dazu findest du in den §§1 f EStG.
Die Abgrenzung zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften
Soweit ist das natürlich nicht besonders spektakulär. Spannender ist aber der nächste Absatz. §2 Absatz 2 EStG teilt direkt die sieben Einkunftsarten in zwei Gruppen auf. Land- und Forstwirtschaft, gewerbliche und selbständige Tätigkeiten sind sogenannte Gewinneinkunftsarten. Die restlichen sind Überschusseinkunftsarten.
Bei Lafo, Gewerbebetrieb und selbständiger Tätigkeit soll der Gewinn besteuert werden. Bei den restlichen soll der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten besteuert werden.
Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Hier laufen mehrere Fäden zusammen. Wir haben schon die Begriffe Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben, Einnahmen und Werbungskosten kennengelernt. Alle vier sind per se Einnahmen oder Ausgaben, trotzdem gibt es, wie du weißt, verschiedene Begriffe und Normen dazu.
Und hier finden wir den Grund dafür, dass für die Einkommensteuer insbesondere zwischen Betriebsausgaben und Werbungskosten unterschieden wird.
Der Gewinn der Gewinneinkunftsarten berechnet sich nämlich nach den Betriebseinnahmen abzüglich der Betriebsausgaben.
Der Überschuss der Überschusseinkünfte ist die Differenz aus Einnahmen und Werbungskosten.
Die Unterscheidung ist aber lediglich sprachlich. Es kann also sein, dass die gleiche Ausgabe unterschiedlich behandelt wird, je nachdem zu welcher Einkunftsart sie gehört.
Schauen wir uns den fiktiven Wertverlust einer Immobilie an. Das EStG lässt dafür als Ausgabe eine Absetzung für Abschreibung zu (umgangsprachlich AfA). Die AfA ermöglicht, dass pro Jahr ein Prozentsatz der Anschaffungskosten der Immobilie als Ausgabe abziehbar ist.
Handelt es sich um eine vermietete Eigentumswohnung im Privatvermögen, die zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nach §21 EStG führt, sind je nach Baujahr der Immobilie 2% oder 2,5% als Werbungskosten abziehbar. Wird die selbe Wohnung aber im Betriebsvermögen eines Gewerbebetriebs gehalten und werden die Räume als Büro genutzt, sind stattliche 3% als Betriebsausgaben abziehbar (§7 Absatz 4 EStG). Bei Anschaffungskosten von mehreren Hunderttausend Euro macht das einen großen Unterschied.
Zum einen müssen wir also wissen in welcher Einkunftsart wir uns befinden, um entscheiden zu können, wie wir die Einnahmen und Ausgaben dem Grunde nach behandeln.
Zum anderen gibt es verschiedene Regeln für die zeitliche Einordnung im EStG. Die Einkommensteuer ist eine Jahressteuer (§2 Absatz 7 EStG). Wir müssen als entscheiden, was für die Zuordnung eines Vorgangs zu einem Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr relevant ist.
Wirtschaftliche Zugehörigkeit im Kontrast zu Zufluss/Abfluss
Bei den Überschusseinkünften geht es immer um den Zufluss der Einnahme oder den Abfluss der Ausgabe.
Die Gewinneinkünfte hingegen richten sich grundsätzlich nach der wirtschaftlichen Zugehörigkeit des Vorgangs.
Für die Überschusseinkünfte gilt fast ausnahmslos das Zufluss-/ Abflussprinzip des §11 EStG. Für die Gewinneinkünfte hingegen gelten die periodengerechte Gewinnabgrenzung, die Regeln der Buchführung und Bilanzierung und des Betriebsvermögensvergleichs (§§4, 5 EStG)
Die periodengerechte Gewinnabgrenzung schaut sich den Vorgang an und beurteilt, wann die Leistung erbracht wurde. Die Frage, die man hier beantworten muss, ist: In welchen Zeitraum gehört der Vorgang wirtschaftlich?
Ein Zimmereibetrieb, der im Dezember 2018 einen Dachstuhl fertigstellt, muss diesen Vorgang für die Steuer auch im Jahr 2018 erfassen. Dafür ist egal, ob er die Rechnung erst im Februar 2019 stellt oder sie im Mai 2019 bezahlt wird.
Das Zufluss- /Abflussprinzip ist da viel pragmatischer. Wenn die Novembermiete 2018 deiner vermieteten Eigentumswohnung erst im Februar 2019 auf dein Konto überwiesen wird, dann hast du die Einnahme auch erst in 2019 bei der Steuer anzugeben. Völlig egal in welchen Zeitraum die Mietzahlung wirtschaftlich gehört. Natürlich gibt es auch hier Sonderregeln, wie die 10-Tage-Regel um den Jahreswechsel herum oder die Behandlung der Lohnsteuer bei Arbeitnehmern, aber der Grundsatz steht fest.
Die EÜR als Vereinfachung zur Bilanzierung
Zwischen diesen beiden grundsätzlichen Prinzipien der Zuordnung steht nun noch eine dritte Möglichkeit der Gewinnermittlung. Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach §4 Absatz 3 EStG. Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) ist eine Vereinfachung, die nur bei den Gewinneinkünften angewendet werden darf. Die EÜR richtet sich grundsätzlich nach dem Zufluss und Abfluss nach §11 EStG mit ein paar Besonderheiten.
Die Möglichkeit zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung soll besonders kleinen Gewerbetreibenden das Leben erleichtern und gilt auch für Freiberufler. Dazu aber später mehr.
Ich denke, dir ist nun klarer, warum wir sauber unterscheiden müssen wo wir stehen.
Bevor wir uns alle Einkunftsarten im Detail ansehen, ist vielleicht noch wichtig klarzustellen, dass die Aufzählung der sieben Einkunftsarten in §2 EStG abschließend ist. Alles was wir nicht unter eine der Einkunftsarten subsumieren können, wird nicht von der Einkommensteuer erfasst. So fallen zum Beispiel Erbschaften, Schenkungen oder Lotteriegewinne nicht unter den Bereich des EStG. Wenn der Lotteriegewinn später angelegt wird und Ertrag abwirft, dann sieht die Sache natürlich anders aus. Vom Ertrag möchte der Fiskus dann fast immer etwas abhaben.
Beginnen wir mit den –> gewerblichen Einkünften nach § 15 EStG.
Unten findest du zudem das Vorlesungsvideo über das Zufluss-, Abflussprinzip nach § 11 EStG, falls dich die detaillierte Ausgestaltung im Gesetz interessiert.