Startseite Einkommensteuer Block A Das Zufluss- / Abflussprinzip – Was muss wann berücksichtigt werden?

Das Zufluss- / Abflussprinzip – Was muss wann berücksichtigt werden?

von StB Eric Preusche LL.B.

Die Frage nach dem Wann im Einkommensteuerrecht

Bei der Einkunftsermittlung ist die Frage des Was und Ob meist recht schnell geklärt, wenn man sich den Sachverhalt anschaut und die steuerrechtliche Vorschrift dazu gefunden hat.

In welchen Zeitraum man den Vorfall dann aber einordnen muss, ist manchmal gar nicht so leicht zu klären.

Im Steuerrecht gilt die Jahresabschnittsbesteuerung nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG. Jedes Kalenderjahr muss also unabhängig von den anderen betrachtet werden. Gerade Ausgaben um den Jahreswechsel herum und Einnahmen, die mehrere Jahre betreffen, können dann etwas schwerer zu beurteilen sein.

Schauen wir uns einmal die Grundlagen an.

Zwei Grundpfeiler im Einkommensteuergesetz: Die periodengerechte Gewinnabgrenzung und das Zufluss- / Abflussprinzip

Das Einkommensteuergesetz kennt zwei Herangehensweisen zur zeitlichen Einordnung.

Die erste ist das Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit. Dieses Prinzip ist tief verwurzelt in der doppelten Buchführung und damit in der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG.

Man muss dabei für jeden Vorfall erst einmal betrachten, was im Rechtsverkehr passiert ist und danach dann beurteilen in welchen Zeitraum das Ganze gehört.

Jemanden, der die doppelte Buchführung nicht gelernt hat, kann das unter Umständen fast zur Verzweiflung treiben.

Das zweite Prinzip hingegen ist viel leichter zu verstehen und intuitiver. Beim Zufluss- / Abflussprinzip geht es immer darum, wann das Geld denn in der eigenen Tasche ist oder nicht.

Nun ist es für den Bürger leider nicht komplett frei wählbar welche Methode er anwenden muss. Je nach Einkunftsart, Umsatz, Gewinn und selbstgewählter Gewinnermittlungsart muss er es auf die eine oder andere Art machen.

Vereinnahmung und Verausgabung nach § 11 EStG

Wir schauen und hier erst mal an, wie das Prinzip der Vereinnahmung und Verausgabung geregelt ist.

Der § 11 EStG ist in zwei Absätze geteilt. Direkt beim Anlesen merkt man:

Absatz 1 dreht sich um Einnahmen. Absatz 2 handelt von Ausgaben. Abgesehen davon sind beide Absätze fast gleich aufgebaut.

Zunächst Absatz 1 Satz 1:

Einnahmen sind innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind.

Genau so wie man den Satz auf den ersten Blick versteht, ist er auch gemeint. Geht dir eine Einnahme in 2018 zu, gehört sie auch steuerlich nach 2018.

Das Wort „zugeflossen“ bedeutet also Verfügungsmacht haben. Ab dem Moment, in dem du über die Einnahme verfügen kannst, ist sie dir zuzurechnen. Wann du z.B. das Auto, dass du zur Einnahmeerzielung verkauft hast, tatsächlich lieferst, ist irrelevant. Es kommt nur auf den Geldeingang an.

Absatz 2 Satz 1 ist genau so aufgebaut und sagt dasselbe für die Ausgaben aus. Sobald du keine Verfügungsmacht mehr hast, weil die Lastschrift z.B. abgegangen ist, ist die Ausgabe geleistet und gehört in dieses Kalenderjahr.

Wenn du selbst für dich ein Haushaltsbuch führst, wirst du es wahrscheinlich genau gleich machen. Man will ja wissen, was man im jeweiligen Monat auch ausgegeben hat.

Regelmäßige Einnahmen und Ausgaben beim Jahreswechsel

§ 11 Absatz 1 Satz 2 nennt dann auch direkt die erste Ausnahme zu Satz 1.

Wenn es sich um regelmäßige Einnahmen handelt und diese kurz um den Jahreswechsel herumzugehen, muss man sie in das Kalenderjahr packen zu dem sie wirtschaftlich gehören.

Die Überlegungen dahinter sind ganz einfach:

Ende des Jahres ist Weihnachten. Zwischen Weihnachten und Neujahr sind immer Feiertage. Läden haben unregelmäßig auf. Büroarbeiter und Bankarbeiter nehmen sich Urlaub.

Wenn die Mietüberweisung immer zum letzten des Monats eingeht, dann kann es im Dezember leicht passieren, dass der Zahlungseingang erst im Januar erfolgt.

Und dann würde es die gesamten Einnahmen des Jahres falsch darstellen, wenn man die Dezembermiete in das nächste Jahr packt.

Oder, um etwas mehr im Steuerrecht zu bleiben, die Umsatzsteuervoranmeldungen und Zahlungen müssen grundsätzlich bis zum 10. des Folgemonats erfolgen. Ohne die Regelung des § 11 Absatz 1 Satz 2 würde eine Vorsteuererstattung, die für den Dezember 2018 erfolgt, erst in 2019 berücksichtigt werden.

Im Gesetz ist hier von einer „kurzen Zeit“ nach oder vor Beendigung des Jahres die Rede. Die Rechtsprechung hat aus diesem Begriff eine 10-Tages-Regel gemacht. Regelmäßige Einnahmen, die vor oder nach dem 31.12. zugehen, sind dem Kalenderjahr zuzurechnen, zu dem sie wirtschaftlich gehören (H 11 Allgemeines – Kurze Zeit EStH). Der Zeitraum umfasst also den 22.12. bis zum 10.01. Früher hatte die Finanzverwaltung die Auffassung, dass sich nach § 108 Abs. 1 AO diese Frist verschiebt, sollte der 10.01. einmal auf einen Sonntag fallen. Der Bundesfinanzhof hat allerdings entschieden, dass § 108 AO nicht greift und keine Verschiebung stattfindet( BFH v. 27.06.2018 – X R 44/16, BStBl II 2018, 781 ). Der Zeitraum steht also fest.

Für die Ausgaben, gilt diese 10-Tages-Regel nach § 11 Absatz 2 Satz 2 EStG auch.

Ausgaben und Einnahmen für mehrere Jahre im Voraus

Stell dir vor, du vermietest eine Lagerhalle und der Mieter möchte, aus welchen Gründen auch immer, dir die Miete für 10 Jahre im Voraus zahlen. Du sagst natürlich nicht Nein, schließlich magst du viele Nullen auf deinem Bankkonto und lässt dir das Geld überweisen.

Dein Bankkonto freut sich erstmal. Steuerlich ist das Ganze aber nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Einem riesigen Betrag, zugeflossen im Kalenderjahr, stehen nämlich nur wenige Ausgaben entgegen. Damit hast du hohe Einkünfte und zahlst durch den progressiven Steuersatz ziemlich fett Einkommensteuer und Soli.

Für solche Szenarien wurde der Satz 3 des § 11 Absatz 1 und 2 eingeführt. Für solche Einnahmen gilt, dass du das Wahlrecht hast, die Einnahmen auf die Überlassungsdauer (hier 10 Jahre) zu verteilen.

Sollten das allerdings Ausgaben für mehr als 5 Jahre im Voraus sein, ist das Gesetz mal wieder pro Fiskus gestaltet. Diese Ausgaben müssen zwingend auf die Jahre der Nutzungsüberlassung verteilt werden (§ 11 Absatz 2 Satz 3 EStG). Du hast also kein Wahlrecht.

Damit haben wir die wichtigen Teile des § 11 abgedeckt. Was noch an Sätzen folgt sind Ausnahmen von Ausnahmen und Vorbehalten.

Sonderregeln für § 19 – Einkünfte und Damnum & Disagio

§ 11 Absatz 1 Satz 4 stellt fest, dass für Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit, also Arbeitnehmerlohn, das Zufluss- /Abflussprinzip separat und leicht abweichend an einer anderen Stelle geregelt ist. Dafür gilt also § 11 nicht.

§ 11 Absatz 2 Satz 4 nimmt Damnum und Disagio von der Aufteilungsregelung auf die wirtschaftliche Nutzungsüberlassung des Satz 3 aus, soweit das Dammun oder Disagio marktüblich ist.

Damnum und Disagio sind sogenannte Abgelder bei Krediten. Oft zahlt die Bank bei Darlehensvergabe nicht den vollen Betrag aus, sondern behält einen Abschlag von z.B. 5% ein. Diesen Abschlag nennt man Disagio. Es handelt sich dabei um vorweggenommenen Zinsaufwand, der zusätzlich zu den tatsächlichen Zinsen entsteht. Diesen Zinsaufwand muss man steuerlich grundsätzlich auf die Laufzeit des Kredites verteilen.

Ist der Betrag aber marktüblich, kann der Aufwand voll im Abflussjahr als Werbungskosten abgezogen werden. „Marktüblich“ ist leider mal wieder so ein unbestimmter leerer Rechtsbegriff, den der BFH füllen muss. Marktüblich ist zum Beispiel ein Disagion von 5% bei einer Kreditlaufzeit von 5 Jahre.

Abgrenzung zur Buchführung und Bilanzierung

Zu guter Letzt machen die Sätze 5 vom Absatz 1 und 6 von Absatz 2 noch klar, dass das Zufluss- /Abflussprinzip nicht für die Gewinnermittlung durch Bilanzierung gilt. Hier steht also die Abgrenzung zur wirtschaftlichen Zugehörigkeit.

Und wann wende ich § 11 jetzt ganz allgemein an und wann nicht?

Das Zufluss- / Abflussprinzip gilt bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und § 5 EStG nicht (§ 11 Absatz 1 Satz 5 und Absatz 2 Satz 6 EStG).

§ 5 verweist auf die gesetzliche Verpflichtung Bücher zu führen und § 4 Absatz 1 erklärt die Gewinnermittlung nach Betriebsvermögensvergleich. Trifft also eins von beiden zu, ist das Zufluss- / Abflussprinzip nicht anzuwenden.

Dafür ist es egal ob der Steuerpflichtige freiwillig mit der doppelten Buchführung seinen Gewinn ermittelt oder ob er nach dem Handelsgesetzbuch oder der Abgabenordnung verpflichtet ist.

§§ 141 AO zwingt nämlich ab einer gewissen Umsatz- oder Gewinngröße den gewerblichen Unternehmer (§ 15 EStG) und den Landwirt (§ 13 EStG) zur Gewinnermittlungsart der Bilanzierung.

Völlig ausgenommen von dem allem sind die freien Berufe nach § 18 EStG, wie Steuerberater oder Rechtsanwälte. Solange diese nicht in der Rechtsform wie einer GmbH oder AG tätig sind, können sie grds. per Einnahmen-Überschuss-Rechnung den Gewinn ermitteln und § 11 greift.

Für die restlichen Einkunftsarten und die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens gilt § 11, solang es nicht durch speziellere Vorschriften eingeschränkt wird. Zum Beispiel gibt es besondere Regelungen für Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen.

Der Grundsatz außerhalb der Bilanzierungsvorschriften ist und bleibt aber das Zufluss- / Abflussprinzip.

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–> Die Sonderausgaben – Ein Sammelbecken für politische und verfassungsrechtliche Ausgestaltung?

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