Die Lieferung § 3 Abs. 1, A 3.1 Abs. 1-2 UStAE
§ 3 Abs. 1
Bei einer Lieferung wird an einem Gegenstand die Verfügungsmacht verschafft.
> Gegenstand
Ein Gegenstand bedeutet, es muss eine körperliche Sache sein, dazu zählen ganz offensichtliche Dinge wie ein Auto, aber auch z.B. Gas.
> Verschaffung der Verfügungsmacht
„Verschaffung“ ist etwas aktives, das heißt, der Leistende braucht einen Leistungswillen. Beim Diebstahl z.B. mangelt es an einem Leistungwillen des Bestohlenden. Die Verfügungsmacht bedeutet, dass der Empfänger den Gegenstand benutzen, zerstören oder veräußern kann – er hat also vollkommene Herrschaftsmacht.
Entscheidend ist hier der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, und nicht das zivilrechtliche.
Grundsatz: Ein Gegenstand – eine Lieferung.
Ausnahmen: Sachgesamtheit und vertretbare Sachen
Bei einer Sachgesamtheit stellt die Gesamtheit an sich etwas qualitativ anderes dar, als die darin enthaltenen Einzelbestandteile. Ein Kaffeeservice z.B. besteht aus mehreren einzelnen Gegenständen, allerdings stellt das Service als Gesamtheit etwas wertvolleres dar und ist somit nur als ein Liefergegenstand zu behandeln.
Vertretbare Sachen sind bewegliche Sachen, die im Alltag nach Maß, Zahl oder Gewicht bestimmt werden (§ 91 BGB). Darunter zählt beispielsweise Zucker. Der Zucker wird in einer Packung verkauft und nicht als Millionen von Zuckerkristallen.
Darunter zählen auch solche Wirtschaftsgüter, die als körperliche Sache behandelt werden wie Gas, Wasser, Strom.
Bewegte Lieferung – ruhende Lieferung
Ebenso zu unterscheiden ist zwischen einer bewegten und einer ruhenden Lieferung, dies spielt bei der Prüfung der 4. Voraussetzung (Inland) eine entscheidene Rolle.
Eine bewegte Lieferung (§ 3 Abs. 6) bedeutet, dass der Liefergegenstand befördert oder versendet wird.
Der Unterschied zwischen einer Beförderungslieferung und eine Versendungslieferung ist, dass bei einer Versendungslieferung ein selbständig Beauftragter für den Transport des Liefergegenstandes zuständig ist. Selbständig Beauftragter ist z.B. ein Spediteur, Frachtführer. Nicht selbständig Beauftragter ist hingegen der Angestellte des leistenden Unternehmers oder des Abnehmers, diese sind lediglich nicht selbständige Erfüllungsgehilfen.
Bei einer ruhenden Lieferung (§ 3 Abs. 7) liegt keine Bewegung, also keine Beförderung /Versendung vor. In welchen Fällen kommt dies vor?
Klassikerbeispiel dafür ist das Grundstück. Hier gibt es keine Bewegung.
Bei der Lieferung einer Sachgesamtheit (siehe oben), zum Beispiel bei einem Kaffeeservice aus 30 Teilen, die in mehreren Etappen (zunächst 20 Teile, danach 10 Teile) an den Abnehmer verbracht wird, liegt die Lieferung erst vor, sobald der gesamte Liefergegenstand als Ganzes dem Abnehmer zur Verfügung gestellt wird. Die Lieferung liegt erst bei Eintreffen der restlichen 10 Teilen beim Abnehmer vor, dann ist es schon beim Abnehmer, sodass keine Bewegung stattfindet.
Der Abnehmer und der Leistungswille müssen als Voraussetzung für eine Lieferung feststehen bzw. vorliegen.
Nimmt z.B. ein Künstler seine Kunstgemälde zu einem interessierten potentiellen Kunden mit, dieser muss sich die Gemälde erst einmal ansehen, um zu entscheiden, ob er sie kauft. Eine Lieferung liegt erst bei der Entscheidung des Kaufs, also beim Abnehmer, vor. Hier findet auch keine Bewegung mehr statt.
Ort und Zeitpunkt der Lieferung
Um den Ort der Leistung bestimmen zu können, muss der Zeitpunkt der Lieferung ermittelt werden. Die Bestimmung des Orts ist wichtig, um zu überprüfen ob die Lieferung im Inland erfolgt und somit steuerbar nach § 1 Abs.1 Nr. 1 UStG ist oder nicht.
Ort und Zeitpunkt der Lieferung, § 3 Abs. 5a – Abs. 8
Bei der bewegten Lieferung nach § 3 Abs. 6 bestimmt sich der Leistungsort danach, wo die Lieferung beginnt.
Dabei ist zwischen einer Beförderungslieferung (§ 3 Abs. 6 S. 2) und einer Versendungslieferung (§ 3 Abs. 6 S. 4) zu unterscheiden.
Von einer Beförderungslieferung spricht man, sobald der Liefergegenstand durch den Lieferer (Unternehmer) oder den Abnehmer (Kunde) selbst befördert bzw. bewegt wird.
Beispiel:
Der hungrige Bauarbeiter geht in der Mittagspause zum Bäcker und kauft sich dort eine Brezel zum Mitnehmen.
Dies ist eine klassiche Beförderungslieferung, da der Bauarbeiter die Brezel mit sich fort nimmt (Abholfall).
Von einer Versendungslieferung spricht man, wenn der Liefergegenstandes durch einen selbständigen Beauftragten des Lieferers oder des Abnehmers transportiert wird.
Beginn der Versendung ist dabei mit Übergabe des Gegenstandes an den selbständig Beauftragten.
Beispiel:
Der Modeladen ‚Unique‘ in Stuttgart beauftragt die selbständige Speditionsfirma Hermes damit, ein Kleid an die Kundin K in Basel zu liefern.
Die Angestellte von ‚Unique‘ fährt zur Speditionsfirma in Karlruhe und übergibt das verpackte Kleid dort dem Spediteur.
Hier handelt es sich um eine Versendungslieferung.
Die Lieferung beginnt nicht bereits mit Beförderung des Kleides der Angestellten.
Erst zu dem Zeitpunkt, in dem die Angestellte das Kleid dem Spediteur übergibt, beginnt die Lieferung und Lieferort ist demnach Karlsruhe (=Inland).
Zur Klarstellung – das Wort „liefern“ im Umsatzsteuerrecht entpricht nicht der umgangssprachlichen Bedeutung. Denn der Spediteur übernimmt in diesem Fall zwar die „Lieferung“, eine Lieferung im umsatzsteuerrechtlichem Sinn tätigt allerdings nur der Modeladen an die Kundin.
(Die Speditionsfirma und der Modeladen haben eine separate Leistungsbeziehung).
Bei der unbewegten Lieferung nach § 3 Abs. 7 bestimmt sich der Ort danach, wo sich der Liefergegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügugsmacht befindet.
Beispiel:
Der Bauherr veräußert das neu errichtete Gebäude mit Grundstück an die Familie X.
Es liegt eine unbewegte bzw. ruhende Lieferung vor, da das Grundstück nach Übergang des Eigentums nicht mehr bewegt wird.