Im Umsatzsteuerrecht gilt grundsätzlich, dass jede Leistung getrennt und selbständig zu beurteilen ist.
Durchbrochen wird dieser Grundsatz von der Regelung der Einheitlichkeit der Leistung. Diese hat sich allerdings durch die Rechtsprechung entwickelt und ist deshalb nicht gesetzlich niedergeschrieben, sondern lediglich im Abschnitt 3.10 UStAE aufgenommen.
Was bedeutet die Einheitlichkeit einer Leistung?
Es gibt Leistungen, deren „Leistungsbestandteile“ im Wirtschaftsverkehr einzeln betrachtet auch als selbständige Leistung vorkommen können.
Aus der Sicht eines Durchschnittsverbraucher stellen diese aber eine einheitliche Leistung dar, die wirtschaftlich nicht teilbar ist.
Bei einer solchen einheitlichen Leistung gibt es eine Hauptleistung und eine oder auch mehrere Nebenleistungen. Gegenstand einer Haupt- /Nebenleistung können sowohl Lieferungen als auch sonstige Leistungen sein.
Ist die Einheitlichkeit zu bejahen, dann teilt die Nebenleistung sozusagen das Schicksal der Hauptleistung, was u.a. den Ort, den Zeitpunkt, die Steuerfreiheit oder auch den Steuersatz angeht.
Wichtige Voraussetzung für diese Betrachtung ist, dass diese von dem gleichen Unternehmer erbracht werden müssen. Dabei ist es egal, ob ein einheitlicher Vertrag bzgl. der Leistungen besteht, oder ob für die Leistungen jeweils getrennt Geld verlangt und entrichtet wird.
Wann aber ist eine Leistung lediglich als Nebenleistung zu qualifizieren?
Die Nebenleistung dient nur als Mittel, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (A 3.10 Abs. 5 UStAE). Sie wäre ohne die Hauptleistung meist sinnlos.
Stell dir doch einmal vor, du kaufst dir eine Packung Milch. Ohne den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung müsste der Verkäufer nun 19 % USt auf die Milchverpackung berechnen. Auf den Inhalt, die Milch, würden allerdings nur 7 % USt anfallen.
Beispiel 1:
Ein Bauer verkauft eine Zuchtstute (1) und liefert sie direkt zum Reiterhof des Kunden.
Für den Transport (2) berechnet er eine Pauschale von 20 €.
Zu (1): Die Zuchtstute ist ein Gegenstand, an welchem dem Kunden die Verfügungsmacht verschaffen wird, also eine Lieferung, § 3 Abs. 1. (Steuersatz: 7%, § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2)
Zu (2): Die Transportleistung stellt eine sonstige Leistung dar, § 3 Abs. 9. (Steuersatz: 19 %, § 12 Abs.1).
Die Leistungen dienen demselben wirtschaftlichen Zweck (Verkauf der Zuchtstute).
Dem Kunden ist der Erhalt der Stute wichtig (= Hauptleistung). Die Transportleistung ist hier nachrangig und wäre auch ohne die Hauptleistung sinnlos. In diesem Fall ist der Verkauf der Zuchtstute mit Transport als eine einheitliche Leistung zu sehen und kann nicht wirtschaftlich aufgeteilt werden.
Da die Transportleistung als Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, unterliegt die gesamte Leistung dem ermäßigten Steuersatz, 7 % USt.
Ausnahmen (A 3.10 Abs. 5 S. 1 UStAE)
Wo eine Regel, da auch eine Ausnahme.
Es gilt ein Aufteilungsgebot der Leistung bei Beherbergungsumsätzen (A 12.16 Abs. 8 UStAE). Werden Wohn- und Schlafräume kurzfristig (weniger als 6 Monate) vermietet, so unterliegt diese Leistung dem ermäßigten Steuersatz, § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1. Wie es u.a. bei Pensionen, Hotels, Bed & Breakfasts so üblich ist, wird auch z.B. Frühstück, Pay-TV oder Gepäcktransport vom Flughafen/Bahnhof angeboten. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers würde man sagen, dass die Übernachtung in einem Bed & Breakfast und das Frühstück zusammengehören und sich fragen, was einem Gast der Gepäcktransport zum Hotel bringt, wenn dieser dort nicht übernachten würde.
Tatsächlich dienen aber diese eigentlich typischen Nebenleistungen zur Beherbergungsleistungen nicht unmittelbar der Vermietung, selbst wenn ein Gesamtentgelt verlangt wird. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 2 verbietet es das Gesetz, die Regelung der Einheitlichkeit der Leistung auf kurzfristige Beherbergungsumsätze anzuwenden.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) (Urteil v. 18.01.2018, C-461/16) ist allerdings fraglich, ob das Aufteilungsgebot noch haltbar ist. Um den EuGH zu zitieren, darf der Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden (Rz. 22 S. 1 des o.g. Urteil).