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7 Lektionen aus 7 Jahren Arbeit im Finanzamt

von StB Eric Preusche LL.B.

Kennst du das Gefühl, wenn ein Schreiben vom Finanzamt kommt und es dir kalt den Rücken runterläuft? Fühlst du dich manchmal wie ein Schwerverbrecher, nur weil das Finanzamt dir geschrieben hat? Hast du schon versucht, beim Amt anzurufen und niemand ging ans Telefon, weil die Beamten scheinbar nur Kaffee trinken? Und denkst du manchmal: „Die paar Euro kann ich doch auch schwarz machen, das merkt keiner?“

2014 habe ich beim Finanzamt angefangen zu arbeiten und war 7 Jahre im Innendienst, in der Betriebsprüfung und kurzzeitig als Steuerfahnder tätig. In diesem Beitrag teile ich 7 Lektionen mit dir, die ich in dieser Zeit gelernt habe und die dir hoffentlich von Nutzen sein werden.

 

Lektion 1: Nichts persönlich nehmen!

Jedes Schreiben vom Finanzamt fühlt sich an wie eine Vorladung, weil gegen dich wegen bandenmäßigen Betrugs ermittelt wird? Atme tief durch. Es geht nicht um dich persönlich. Das Leben als Finanzbeamter ist anders, als man denkt. Kleine Teams von wenigen Mitarbeitern müssen jedes Jahr mehrere tausende Steuerfälle bearbeiten. Oft sind einige Teammitglieder krank oder in Teilzeit.

Für diese Massen an Arbeit gibt es interne Risiko-Management-Systeme. Das sind Software-Programme, die die Steuererklärungen vorab prüfen. Sie vergleichen Zahlen untereinander, mit Vorjahreswerten und Branchenwerten und treffen Zufallsstichproben. Je höher das Risiko, desto genauer muss der Beamte prüfen. Aber er darf nur die Punkte prüfen, die ihm das System vorgibt. Daher können manche Rückfragen unverständlich erscheinen.

Die meisten Schreiben, die dich erreichen, sind standardisierte Vorlagen. Ein Volljurist hat sie erstellt und für Laien wirken sie oft abschreckend. Aber sie sind keine Angriffe auf dich. Der Sachbearbeiter erfüllt nur seine Aufgabe: Fehler in der Steuererklärung zu finden und zu klären.

Mach dir klar: Es geht nicht um Misstrauen oder Gerechtigkeit. Der Sachbearbeiter macht einfach seinen Job. Und der besteht darin, den Sachverhalt aufzuklären und Fehler zu finden. Am Ende muss er einfach seine Arbeit erledigen.

Lektion 2: (Fast) alles ist verhandelbar.

Am Anfang meiner Ausbildung war ich ziemlich naiv und dachte, die Steuerwelt wäre ein festes System aus klaren Regeln, in dem man wenig Spielraum hat. Doch während meiner Zeit im Finanzamt wurde mir schnell klar: Die Steuerregeln sind genauso komplex und vielfältig wie das Leben selbst. Viele Regeln sind starr, aber erstaunlich viel ist verhandelbar und flexibel.

Einmal habe ich erlebt, wie ein Restaurantbesitzer mit erheblichen Steuerschulden zur Vollstreckungsstelle des Amtes auftauche. Dort versuchte er wie auf einem Basar mit einem Bündel Geldscheinen in der Hand über die Höhe seiner Steuerschuld zu verhandeln – und tatsächlich hatte er Erfolg. Zudem war ich bei Abschlussbesprechungen der Betriebsprüfung dabei, wo völlig frei über die Ergebnisse der Prüfung verhandelt wurde und was akzeptiert wird und was nicht.

Aber: Weder der Restaurantbesitzer noch der geprüfte Steuerpflichtige haben einen guten Deal gemacht. Die Steuerschulden wurden nicht erlassen, es ging nur um den Zeitpunkt der Zahlung. Für jeden Monat Aufschub fielen Zinsen an, damals 6 % pro Jahr, und es kamen zusätzliche Gebühren hinzu. Kein gutes Geschäft also. Und der geprüfte Steuerpflichtige hatte klare Formvorschriften missachtet, weshalb zugeschätzt wurde. Er musste also Strafsteuern für nicht dokumentierte Umsätze zahlen.

Trotzdem: In der Realität ist mehr Verhandlungsspielraum vorhanden, als man denkt. Man braucht nur einen guten und selbstbewussten Steuerberater, der sich auskennt und den Mut es auch einmal darauf ankommen zu lassen.

Lektion 3: Finanzbeamte sind auch nur Menschen.

Finanzbeamte haben in der Gesellschaft oft einen schlechten Ruf. Das finde ich schade und unverdient. Die Mehrheit der Sachbearbeiter und Mitarbeiter ist nämlich sehr freundlich und hilfsbereit. Natürlich gibt es auch mal den einen oder anderen schwierigen Fall. Aber denk mal darüber nach: Stell dir vor, du würdest 40 Jahre lang täglich mit Menschen konfrontiert, die sich angegriffen fühlen, obwohl du nur deine Arbeit machst. Da kann es vorkommen, dass der ein oder andere Beamte irgendwann verbittert wird. Die meisten sind jedoch absolut umgängliche und angenehme Menschen.

Das ergibt auch Sinn. Warum wird man Beamter? Wahrscheinlich, weil einem Sicherheit wichtig ist , Beständigkeit mag und nicht gern unter Druck steht. Genau das trifft auch auf viele Finanzbeamte zu. Sie suchen keinen Streit, sondern möchten einfach in Ruhe ihre Arbeit erledigen. Daher habe ich gelernt, dass der beste Weg, um zu bekommen, was man möchte, darin besteht, den Finanzbeamten mit Respekt und Freundlichkeit zu behandeln.

Wenn du etwas nicht verstehst, ruf ihn an und frage höflich nach. Erkläre ihm deine Situation. Er kann nicht wissen, ob deine Ausgaben in der Steuererklärung korrekt sind oder ob vielleicht ein Tippfehler vorliegt. Sei nachsichtig. Der Beamte möchte wahrscheinlich nur den Fall abschließen. Übergib ihm einfach die Unterlagen und sei froh, dass du seinen Job nicht machen musst.

Lektion 4: Wehren lohnt sich, solange man höflich bleibt.

Der Bund der Steuerzahler schätzt, dass jeder zweite Steuerbescheid Fehler enthält. Und ich bin überzeugt, dass das zutrifft. Bei der Menge von 83 Millionen Einwohnern in Deutschland und den komplexen Steuergesetzen ist es fast unmöglich, alles zu 100 % korrekt zu machen.

Wenn du also sicher bist, dass du im Recht bist, dann wehre dich! Es ist wichtig, zu verstehen, wie das Finanzamt aufgebaut ist. Je nach Steuerart und Anfangsbuchstaben deines Nachnamens oder der Firma des Unternehmens gibt es verschiedene Teams von Spezialisten. Dabei gibt es in jedem Finanzamt auch Teams, die sich ausschließlich mit Einsprüchen beschäftigen.

Hier ist der Ablauf, wenn dir Unrecht getan wird:

Deine Steuererklärung wird von Sachbearbeiter A geprüft. Er möchte vielleicht Ausgaben streichen, aber du behauptest, alle Ausgaben seien korrekt. Trotzdem streicht er einige Ausgaben und sendet dir einen Steuerbescheid.

Jetzt gilt: Gib nicht klein bei, sondern lege schriftlich Einspruch ein.

Der Einspruch landet wieder bei Sachbearbeiter A. Jetzt muss er die Sache erneut prüfen und hat die Chance, seinen Fehler zu korrigieren. Wenn er das nicht tut, wird er dich auffordern, deinen Einspruch zurückzunehmen.

Lass dich dann nicht abschrecken! Wenn du dir sicher bist, lass deinen Einspruch weitergehen zur Rechtsbehelfsstelle. Dort wird ein anderer Beamter, Beamter B, deinen Fall nochmals (hoffentlich) vorurteilsfrei prüfen. Er entscheidet unabhängig und ist nur dem Gesetz und den Verwaltungsanweisungen verpflichtet. Oft kennt er sich besser aus und deine Chancen stehen gut, dass er dir Recht gibt.

Gibt er dir nicht Recht, erhältst du eine detaillierte Begründung als Einspruchsentscheidung. Aber du hast immer noch die Möglichkeit, Klage einzureichen und einen Richter entscheiden zu lassen. Glaub mir, irgendwann wirst du Recht bekommen, wenn du im Recht bist.

Wichtig ist: Man sollte dabei respektvoll und höflich bleiben. Finanzbeamte sind auch nur Menschen. Beleidigst du den ersten Beamten, werden sich auch die anderen emotional angegriffen fühlen und nicht mehr objektiv entscheiden können.

Lektion 5: Steuerrecht macht Sinn.

Glaube es oder nicht: Steuerrecht ergibt Sinn.

Es ist nur so komplex, dass viele Steuerrechtler aufgeben, bevor sie es verstanden haben. Das ist schade, denn erst wenn man die Struktur dieses komplexen Systems begriffen hat, kann man anfangen, mit den Regeln zu spielen und optimale steuerliche Vorteile zu nutzen.

Übrigens, ich habe ein Buch darüber geschrieben, wie bodenständige Unternehmer die Steuerregeln optimal nutzen können, um weniger Steuern zu zahlen. Wenn du möchtest, findest du das Buch unter dem Link hier.

Lektion 6: Wir haben ein gutes System.

Ich weiß, viele regen sich gerne über den Staat und das Steuersystem auf. Aber meiner Meinung nach ist unser Steuersystem überraschend fair und sozial.

Durch den progressiven Steuertarif zahlen Menschen mit geringem Einkommen deutlich weniger Steuern als Bürger mit hohem Einkommen. Es berücksichtigt die Lebensumstände und entlastet Menschen mit Behinderung, Familien mit Kindern und Alleinerziehende.

Unser rechtliches System funktioniert auch gut, selbst wenn es manchmal etwas länger dauert. Willkür wird fast vollständig vermieden. Es ist einfach, sich zu wehren, indem man ein Schreiben an das Finanzamt sendet. Und bis wirklich Maßnahmen wie eine Pfändung von Besitz in Betracht kommen, muss man schon lange sehr viele Postsendungen ignoriert haben.

Lektion 7: Steuerhinterziehung lohnt sich nicht.

Zum Abschluss möchte ich über etwas sprechen, das ich in Bezug auf Steuerhinterziehung gelernt habe. Es amüsiert mich immer ein wenig, wenn Bekannte auf mich zukommen und etwas sagen wie: „Eric, ich habe 2017 mit Kryptowährungen Geld verdient. Muss ich das bei der Steuer angeben?“ Oft kommt dann noch ein Zusatz wie: „Naja, so etwa 150.000 Euro waren das. Aber das fällt doch nicht auf, wenn ich das weglasse, oder?“

Ich habe als Steuerfahnder auch Erfahrungen mit Schwarzgeld und Hausdurchsuchungen gemacht und kann dir mit 100%iger Sicherheit sagen: Es ist alles andere als angenehm, wenn morgens um 6 Uhr zwei dutzend Beamte in Schutzwesten an der Tür stehen, das Haus durchsuchen, alle elektronischen Geräte beschlagnahmen und dich und deine Familie verhören. Gleichzeitig wird dein Betrieb durchsucht und beim Steuerberater wird deine Buchhaltung beschlagnahmt. Und das alles nur weil man dachte: „Ein paar Tausend Euro hier und da, das merkt keiner.“

Steuerhinterziehung verjährt erst nach rund 14 Jahren (mit Anlauf- und Ablaufhemmung). Wer also denkt, sicher zu sein, irrt sich meistens. Und wenn es schiefgeht, kannst du mit hohen Nachzahlungen, Zinsen und Bußgeldern rechnen. Hinzu kommt ein langwieriges Strafverfahren, das sich über Jahre hinziehen kann. Und denk daran: Spezialisierte Anwälte für Steuerstrafrecht sind sehr teuer.

In Baden-Württemberg gibt es rund 250 Steuerfahnder, die sich in Vollzeit um hinterzogene Steuern kümmern. Denn wer Steuern hinterzieht, stiehlt nicht von einem anonymen Staat, sondern von 83 Millionen Bürgern.

Mein Fazit: Es gibt genug legale Wege, um gutes Geld zu verdienen und es auch zu behalten. Lieber ist man ehrlich und vermeidet den Stress, die Kosten und den Reputationsschaden, den Steuerhinterziehung mit sich bringt. Eine weiße Weste lässt dich besser schlafen.

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